Ab 2004, in der Folge seiner Inszenierung von Richard Wagners „Bühnenweihfestspiel“ Parsifal, entwickelt der deutsche Künstler Christoph Schlingensief (1960-2010) Werke, die von seiner Auseinandersetzung mit Wagners Konzept des Gesamtkunstwerks zeugen. Die frühe Kunst von Christoph Schlingensief ist hingegen von formaler Vielgestaltigkeit sowie einer starken Tendenz zu Provokation, Unverschämtheit und Brutalität geprägt, die weit entfernt von der von Wagner angestrebten Harmonie zu sein scheinen. Die Kunstpraxis, die Christoph Schlingensief in den ersten zwanzig Jahre seiner Karriere entwickelt, kann nichtsdestotrotz als Genese dessen interpretiert werden, was später als Gesamtkunstwerk diskutiert wird. Die vorliegende Studie widmet sich seinen Werken der Jahre 1983 bis 2003, in denen der Künstler sukzessive verschiedene Formen und Medien aufgreift, die vom Film über Theater und Fernsehen bis zur Aktion reichen. Ohne dabei nach jeglicher künstlerischen Beherrschung oder dem Festsetzten in irgendeiner Stabilität zu streben, arbeitet er bereits auf äußerst kohärente Weise mit Grenzüberschreitungen und Vehemenz. Da ein Streben nach Einheit und ein Authentizitätsideal der Arbeit dieser Jahre zu Grunde liegen, können die Aneinanderreihung von Medien und das unablässige Ausweiten konventioneller Grenzen, seien sie künstlerischer oder moralischer Art, ebenso als Prämissen der späteren totalisierenden Formensuche interpretiert werden. Diese Studie möchte aufzeigen, dass, hätte Christoph Schlingensief nicht all jene Bereiche während seiner ersten Schaffensphase durchlaufen und hätte er nicht so konsequent das politisch Korrekte entgrenzt, dann hätte seine Kunst nicht zu jener Verschmelzung der verschiedenen Medien und zu jener universellen und spirituellen Dimension finden können, die sie in seinem Spätwerk erreicht.